Der Choreograf Shang-Chi Sun widmet sich mit dieser Tanz- und Musikproduktion den subtilen und faszinierenden Musikebenen Furrers, rund um zwei emblematischen Stücken des Komponisten: "Phasma" und "Solo für Cello". Dabei setzt er seine Zusammenarbeit mit dem Ensemble KNM Berlin zwischen Tanz und Neue Musik fort, die mit dem Stück „The Photographer“ zu Musik von Philip Glass angefangen wurde (2014). Die neue Produktion ist ein abendfüllendes Stück mit vier Tänzer/innen und zwei Musiker/innen werden.
Beat Furrer ist zurzeit einer der interessantesten Komponisten Europas. Seit den 90-Jahren beschreibt Beat Furrer sein Komponieren als eine Spurensuche im Klanglichen, als ein Freilegen von Schichten, der Arbeit eines Archäologen gleich. Das Material projiziert er in einem mehrschichtigen Prozess von simultanen Bewegungsabläufen in die Zeit. Sie überlagern, überblenden und filtern sich.
Spur trägt das Geheimnis einer auf den Moment komprimierten Erzählung in sich: Zeit, Raum und Bewegung sind unauflösbar verbunden. Bewegung als Abdruck gefroren, erstarrt und sedimentiert. Ein Abbild einstigen Geschehens, das Imagination und Fakten, Vergangenheit und Gegenwart auf poetische Weise miteinander verbindet.
Die Choreografie konzentriert sich auf die Suche nach dem „Gewicht“ der Bewegung. Spuren im Wald hinterlassen zum Beispiel Geschichten: Geschichte des Menschen, der sie gemacht hat, und Geschichte der Zeit, des Windes und des Regens, die sie seitdem verändert haben. Die Vergangenheit des Schrittes und die Gegenwart seiner späteren Wahrnehmung durch den, der ihnen folgt, finden zusammen.
Diese Mischung aus Beobachtung, Fantasie und physischer Wahrnehmung findet sich in den choreografischen Methoden Shang-Chi Suns wieder. Seine Bewegungen lässt er immer aus einem minimalen Ansatz entstehen: Eine Spur ist zuerst einmal Gewicht, aber auch Gewichtsverlagerung, dann Ansatz, Fortbewegung und der Startpunkt für komplexere Entwicklungen.
„Ich versuche, die Geschichten hinter dem scheinbar abstrakten Schritt wie eine physikalische Größe zu begreifen. Es gibt eine versteckte Botschaft im Gewicht, die zu dem Menschen dahinter führt. Vielleicht ist die Wechselwirkung zwischen zeitgenössischer Musik und Bewegung ein Weg, um die Veränderung des Gewichts aus einem anderen Winkel zu betrachten? Töne können ein Schlüssel sein, um den Schritt zu analysieren und zu bezeugen. Beat Furrers Arbeit ist abenteuerlich und sinnlich. Die Art, wie er seine Kompositionen zusammensetzt, ist unberechenbar und meisterhaft. Er wagt es immer wieder, die Möglichkeiten der Instrumente auszuloten, um mit neuen Klängen zu experimentieren. Ich möchte meine Choreografie mit seiner Musik verbinden, sie führen, verändern lassen, bis zu einem neuen Verständnis der Schwerkraft. Aus dieser Zusammenarbeit suche ich nach einer für mich neuen Perspektive der Bewegung, hin zu einer erneuerte Körpersprache.“
Shang-Chi SunPRESSESTIMMEN
Drei Männer, eine Frau. Alle jung, unheimlich bei der Sache, technisch beschlagen, erfindungsreich. Shang-Chi Sun als Schöpfer des so wilden wie subtilen Reigens hat großartige Arbeit geleistet.
Stefan Amzoll, Neues Deutschland, 11. Juli 2016
Ins Auge sticht der Anfang, ohne dass was zu hören ist. Große Nummer. (...) Mit einer Solonummer (...) Ying Ting An, wie ihr Choreograf aus Taiwan kommend, eröffnet die „Spur“. (...) All ihre Bemühung steht im Zeichen, jene Stille tänzerisch so subtil auszufüllen und dieser selbst Sinn zu verleihen, dass der Raum zu „klingen“ nicht aufhört, ohne dass ein Ton fällt. Denn Stille ist Klang.
Stefan Amzoll, Neues Deutschland, 11. Juli 2016
Jene einstündigen „Spur“ endet nicht, bevor die Turbulenzen eingedampft sind und alle Bewegung im Zeichen der Hinkehr zur Ruhe steht. Morendo, getanzte Verlassenheit auf Einzeltönen lauten die finalen Metaphern. Stille wie zu Beginn. Doch der Ausgang dieses höchst gelungenen, die Sinnen fesselnden Abends ist tragisch.
Stefan Amzoll, Neues Deutschland, 11. Juli 2016
Die Begegnung von Tanz und Live-Musik muss nicht immer bedeuten, dass die Instrumentalisten sich vom Fleck bewegen. Die Cellistin Ringela Riemke und der Pianist Frank Gutschmidt vom Ensemble KNM Berlin stürzen sich aber mit Verve auf die schwierigen Partituren, ihr konzentriertes Spiel hat etwas immens Körperliches, wie auch die Klänge sehr physisch anmuten.
Sandra Luzina, Tagesspiegel, 11. Juli 2016
Dies ist kein bierernster Abend, wo man andächtig jedem Pling lauscht. Wo die Musik von einer widerborstig-spröden Sinnlichkeit ist, bringen die Tänzer spielerischen Witz und Fantasie mit. (...) Doch wie Beat Furrer die Möglichkeiten der Instrumente auslotet, sucht auch Shang-Chi Sun nach anderen Ausdruckformen. Seinen famosen Tänzern lässt er große Freiheiten, doch gerade das macht die Begegnung mit der Musik so spannend.
Sandra Luzina, Tagesspiegel, 11. Juli 2016
Credits
Company Shang-Chi Sun
Choreographie und Regie: Shang-Chi Sun
Tanz und Choreographie: Fernando Balsera Pita, Malcolm Sutherland, Ying Ting An, Samuel DĂ©niz FalcĂłn
Licht, BĂĽhne: Hans FrĂĽndt
Management: Laurent Dubost
Fotos: Dr. Achim Plum
Ensemble KNM Berlin
Musik: Beat Furrer, "Phasma" fĂĽr Klavier, "Solo" fĂĽr Cello
Aufführungsrechte: Bärenreiter-Verlag
Ringela Riemke, Violoncello
Frank Gutschmidt, Klavier
Management: Thomas Bruns
Ă–ffentlichkeitsarbeit: Barbara Gstaltmayr
Dauer: ca. 60 Minuten
Eine Produktion der Company Shang-Chi Sun in Zusammenarbeit mit dem Ensemble KNM Berlin.
Mit freundlicher Unterstützung durch die Senatskanzlei – Kulturverwaltung des Landes Berlin, das Kulturministerium der Republik China (Taiwan) und Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung. Die Recherche-Residenz 2015 wurde unterstützt von La Briqueterie und dem Centre Culturel de Taiwan in Paris. Vielen Dank an die Uferstudios, die Freie Volksbühne, Kulturradio, die fabrik Potsdam, Robert Witzsche Medien Design und HVS Plakat.
Dauer: ca. 55 minutes
July 8th & 9th, 20h, July 10th 19h | Spur | Uferstudios Berlin (D)
Pictures
Video
Trailer Spur